Ein mittelgroßes Krankenhaus kann bereits durch eine 5%ige Kostensenkung im Materialeinkauf rund 600.000 € pro Jahr einsparen. Dies entspricht einer Umsatzsteigerung von 15 Mio. € bei einer Marge von 4%. Ein Radiologie-Anbieter konnte durch Zentralisierung von 20 Praxen und gemeinschaftlichem Einkauf Kontrastmittelkosten um 15 % reduzieren.
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Effizienz durch Konsolidierung: Der Einkauf als strategischer Hebel im Gesundheitswesen
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- Insight
- Summary

Autoren: Dr. Viola Walther, Charlotte Schiolko, Maria Esina und Mike Bellert
Das deutsche Gesundheitswesen steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Steigende Kosten, Personalmangel und politische Reformen setzen Kliniken und ambulante Einrichtungen zunehmend unter Druck. 80% der Kliniken verzeichneten 2024 ein Defizit – nur 5 % gelten als finanziell stabil. Zwei Drittel der Kliniken rechnen 2025 mit einer weiteren Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage. Fusionen oder Schließungen werden für Träger zum Überlebensweg, während unbesetzte Stellen – besonders in der Pflege – die Versorgung einschränken und das fallpauschalenbasierte System zusätzlich belasten.
Reformpläne fördern die Konzentration der Kliniklandschaft, erste Maßnahmen sind in Umsetzung. Ohne gezielte Steuerung droht ein ungeordneter Strukturwandel. Gleichzeitig treiben Private-Equity-Investoren vor allem im ambulanten Sektor eine deutliche Konsolidierung voran: 2022/23 wurden in Deutschland 186 Übernahmen registriert, insbesondere von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Bereits seit 2021 befanden sich rund 21 % der MVZ in Investorenhand – Tendenz steigend. Börsengänge wie der von Stada oder die geplante Übernahme von Synlab zeigen die Dynamik. Strategische Akteure bleiben aktiv, agieren jedoch teils zurückhaltend angesichts regulatorischer Unsicherheiten.
Ohne gezielte Steuerung droht ein ungeordneter Strukturwandel. Gleichzeitig eröffnen die aktuellen Entwicklungen Chancen – insbesondere durch professionelle Einkaufs- und Lieferkettenstrategien.
Aktuelle Entwicklungen und Trends im deutschen Markt
Der Markt für Gesundheitsversorgung in Deutschland befindet sich im Umbruch. Aktuelle Trends im Einkauf und Lieferkettenmanagement sind unter anderem:
- Finanzdruck & Konsolidierung: Viele Krankenhäuser schreiben Verluste, was im Jahr 2023 zu 29 meist notbedingten Übernahmen geführt hat, hauptsächlich Übernahmen von kommunalen oder freigemeinnützigen Trägern. Die geplante Reform verstärkt den Druck: Träger schließen sich häufiger zusammen, agieren aber angesichts regulatorischer Unsicherheiten zurückhaltend.
- Ambulanter Boom durch Investoren: Im ambulanten Sektor wächst die Transaktionsdynamik – 2024 wurden 73 Praxen übernommen, vor allem in lukrativen Fachgebieten, insbesondere Facharztnetze in Bereichen wie Radiologie, Augenheilkunde und Zahnmedizin wachsen rasant.
- Digitalisierung & Automatisierung: Kliniken investieren verstärkt in digitale Tools wie B2B-Marktplätze, KI und Procure-to-Pay-Systeme, um Kosten zu senken und Prozesse zu optimieren. Digitalisierung wird zunehmend zur Pflicht, auch wenn der Reifegrad noch variiert.
- Fokus auf Resilienz: Krisen und geopolitische Unsicherheiten fördern Strategien wie Dual-Sourcing, Notfallkonzepte und systemisches Lieferantenmanagement. Kliniken setzen stärker auf Risikomanagement zur Sicherung ihrer Versorgungsketten.
- Nachhaltigkeit gewinnt an Relevanz: Neue Gesetze verpflichten Einrichtungen zu verantwortungsvollem Einkauf – nachhaltige Produkte und Lieferketten werden zum Standard. Einkaufsgemeinschaften unterstützen bei der Umsetzung.
Einkauf und Lieferkettenmanagement als Effizienztreiber in der Konsolidierung
Angesichts steigender Kosten und knapper Budgets gelten Unternehmensfusionen und Übernahmen als Schlüssel zur Effizienzsteigerung. Zentrale Einkaufsstrukturen ermöglichen Skaleneffekte und Synergien. Kooperationen und Fusionen schaffen Potenziale für medizinische sowie wirtschaftliche Optimierungen. Die Bündelung des Einkaufsvolumens führt zu besseren Konditionen und senkt Fixkosten je Einrichtung. Gleichzeitig ermöglichen Konsolidierungen den Abbau von Doppelstrukturen und die Standardisierung von Prozessen. Unterschiedliche IT-Systeme und Prozesse müssen harmonisiert, Lieferantenverträge vereinheitlicht und lokale Anforderungen berücksichtigt werden. Eine erfolgreiche Integration erfordert daher nicht nur technologische, sondern auch organisatorische und kommunikative Maßnahmen.
Praxisbeispiel:
Zentraleinkauf: Vorteile für unterschiedliche Akteure
Gemeinsame Beschaffung und Verwaltung steigern die Marge und machen MVZ-Gruppen für Investoren attraktiv. Kein Wunder also, dass Konsolidierung als Weg aus der Krise gilt. Mit Zusammenschlüssen und zentralen Einkaufsstrukturen verbinden verschiedene Akteure im Gesundheitswesen klare Vorteile:
- Krankenhäuser und Klinikverbünde: Klinikverbünde und Konzernstrukturen ermöglichen Einsparungen durch gemeinsame Ausschreibungen, gemeinsame Rahmenverträge, zentrale Materialwirtschaft und geteilte Dienstleistungen wie Logistik oder Lagerhaltung. Die Kliniken gewinnen Verhandlungsmacht, senken Sachkosten und profitieren von Synergien bei IT, nicht-medizinischem Personal und Einkauf – insgesamt wird der wirtschaftliche Betrieb stabiler. Zudem fördert der Verbund den Wissensaustausch und die Zusammenarbeit, zum Beispiel über Einkaufsnetzwerke.
- MVZ (Medizinische Versorgungszentren): Zusammenschlüsse mehrerer Praxen erlauben eine zentrale Beschaffung und Administration. Private Betreiber entlasten Ärzte von bürokratischen Aufgaben und verbessern Infrastruktur sowie Arbeitsbedingungen. Durch die gemeinsame Nutzung teurer Geräte und standardisierter Prozesse steigern MVZ Effizienz und Attraktivität.
- Private-Equity-Investoren: Investoren treiben vor allem im ambulanten Bereich die Konsolidierung voran, um Skaleneffekte zu erzielen. Größere Einheiten ermöglichen zentralisierten Einkauf, geringere Kosten und höhere Margen. Der Zuwachs an Übernahmen belegt das Potenzial – allerdings wird der Einfluss auf Versorgungsqualität teils kritisch diskutiert.
Bedeutung von zentralen Einkaufsstrukturen und digitaler Beschaffung
Zentrale Einkaufsstrukturen sind ein wesentlicher Effizienzfaktor im deutschen Gesundheitswesen. Die überwiegende Mehrheit aller Krankenhäuser nutzt heute gebündelte Beschaffung – über Einkaufsgemeinschaften oder eigene Zentraleinkäufe. Sie profitieren dadurch von spürbaren Einsparungen bei den Materialkosten. Große Einkaufsverbünde wie Sana oder Prospitalia dominieren zunehmend den Markt und ermöglichen Kliniken Preisnachlässe von bis zu 15 % sowie professionelle Einkaufsservices.
Gleichzeitig gewinnt die digitale Beschaffung an Bedeutung. Zwar ist der Digitalisierungsgrad vielerorts noch ausbaufähig, doch das Potenzial ist enorm: Automatisierte Systeme und E-Procurement-Lösungen steigern Effizienz, senken Fehlerquoten und reduzieren Prozesskosten. Einheitliches Stammdatenmanagement etwa spart Zeit, verhindert Doppelerfassungen und ermöglicht bessere Preisvergleiche (die jährlichen Einsparpotenziale verteilen sich auf die Bereiche Duplikate- und Fehlerreduzierung (30 %), operative Effizienz (50 %), Optimierung der Beschaffung (2 %) sowie Datengenauigkeit (25 %)) . Digitale Plattformen verbessern zudem die Planbarkeit: Echtzeit-Daten zu Lager und Bedarf ermöglichen frühzeitige Nachbestellungen und vermeiden Engpässe. Technologien wie EDI, elektronische Kataloge oder KI-gestützte Verbrauchsanalysen erhöhen Transparenz und Steuerbarkeit im Einkauf. Die digitale Transformation des Klinikeinkaufs wird durch das Krankenhauszukunftsgesetz und Initiativen wie das HCDP (zentrale Plattform für einheitliche Produkt- und Artikeldaten) spürbar vorangetrieben.
Fazit: Der Einkauf als strategischer Hebel im Gesundheitswesen
Das deutsche Gesundheitswesen befindet sich in einer tiefgreifenden Phase der Konsolidierung und Digitalisierung. Der Trend zu größeren Einheiten setzt sich sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich fort – Krankenhäuser, MVZs und Investoren verfolgen gezielt Zusammenschlüsse, um Synergien zu nutzen und wirtschaftliche Stabilität zu sichern. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an eine strategisch ausgerichtete und digital gestützte Beschaffung. Denn nur mit professionellen Einkaufsstrukturen und modernen Technologien kann dem anhaltenden Kostendruck nachhaltig begegnet werden.