Von Lorenzo Dei Tos

Nicht jedes Risiko, dem der Einkauf ausgesetzt ist, ist sofort erkennbar. Einige der schädlichsten Probleme, wie Ineffizienzen, mangelhafte Kontrollen und unredliches Verhalten, können sich in Geschäftsprozesse einschleichen und unbemerkt bleiben, bis sie zu konkreten Problemen werden: unkontrollierte Kosten, operative Ineffizienzen und Compliance-Verstöße. Wir haben gesehen, wie diese die Glaubwürdigkeit und Wertschöpfungsfähigkeit des Einkaufs untergraben können.

Die gute Nachricht? In der Regel gibt es Warnsignale – sogenannte rote Flaggen –, die CPOs erkennen und mit einem strukturierten Ansatz frühzeitig angehen können, um kritische Probleme zu vermeiden. Im Folgenden stellen wir Ihnen die fünf häufigsten roten Flaggen vor, die wir in Einkaufsabteilungen beobachtet haben. Für jede einzelne untersuchen wir die Auswirkungen und skizzieren Best Practices, mit denen Sie Ihre Einkaufsorganisation transparenter, strategischer und effizienter gestalten können.

Statische Teamstruktur

Herausforderungen und Auswirkungen

Stabilität ist wertvoll – Stagnation jedoch nicht. Ein häufig auftretendes Problem ist die geringe interne Mobilität in Einkaufsabteilungen. In einigen Fällen haben wir erlebt, dass Mitarbeiter fast zehn Jahre lang dieselbe Position innehatten, ohne dass das Team durch neue Mitarbeiter verstärkt wurde. Diese statische Struktur kann zu operativer Trägheit, einer unbegründeten Bevorzugung bekannter Lieferanten und Widerstand gegen Veränderungen führen. Außerdem werden dadurch die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Kompetenzen innerhalb des Teams eingeschränkt. Zusammen behindern diese Faktoren die Einführung neuer Strategien und Arbeitsweisen und schränken Prozessinnovationen ein.

Best Practice

Um diese Risiken zu mindern, können CPOs einen strukturierten Personalrotationsplan umsetzen. Dieser sollte sowohl interne als auch externe Rotationen sowie die regelmäßige Einbindung neuer Talente in das Team umfassen. Eine weitere wirksame Maßnahme ist die Ernennung eines Managers, der die Rotation überwacht, ihre Wirksamkeit kontrolliert und dafür sorgt, dass sie in angemessenen Abständen durchgeführt wird. Dieser Ansatz schafft ein Gleichgewicht zwischen operativer Kontinuität und Innovation. Er verbessert die Fähigkeiten des Teams, fördert neues Denken und sorgt für mehr Vielfalt und Agilität in den Beschaffungsstrategien.

Mangelnde Transparenz bei den Ausgabendaten

Herausforderungen und Auswirkungen

Beim Management von Ausgabendaten verfolgen Unternehmen sehr unterschiedliche Ansätze. Einige haben fortschrittliche Systeme implementiert, die eine Echtzeit-Extraktion von Ausgabendaten ermöglichen und detaillierte Einblicke bieten. Diese werden zunehmend durch künstliche Intelligenz unterstützt. Andere mit weniger entwickelten Infrastrukturen verlassen sich möglicherweise noch immer auf manuelle Ad-hoc-Prozesse für die Datenerfassung und -analyse.


Unabhängig vom technologischen Reifegrad stoßen wir bei Einkaufsabteilungen oft auf Widerstände, Ausgaben zeitnah und strukturiert offenzulegen. Diese mangelnde Transparenz schränkt den Einblick in die tatsächlichen Kosten und die Lieferantenbasis ein und behindert fundierte Entscheidungen. Dies hat zwei Auswirkungen: Einerseits können Beschaffungsstrategien beeinträchtigt werden und andererseits können Stakeholder bzw. Mitarbeiter der Funktionsabteilungen den Einkauf als undurchsichtig und ineffektiv bei der Steigerung des Geschäftswertes wahrnehmen.

Best Practice

Um dieses Problem anzugehen, muss der Einkauf eine Kultur der Transparenz und des Datenaustauschs fördern sowie standardisierte Prozesse für die Erfassung und Analyse von Ausgabendaten einführen. Darüber hinaus können kontinuierliche Schulungen sowie die aktive Einbindung des Einkaufsteams in Entscheidungsprozesse zu einem strategischeren Einsatz von Informationen führen. Dadurch verbessern sich die Kostentransparenz und die Qualität der Geschäftsentscheidungen.

Mangelnde Herausforderung für etablierte Lieferanten

Herausforderungen und Auswirkungen

Unternehmen behalten häufig langjährige, nicht strategische Lieferanten, ohne regelmäßige Ausschreibungen oder Marktbenchmarkings durchzuführen. Dies ist meist auf langjährige Beziehungen, vermeintliche operative Risiken im Zusammenhang mit einem Lieferantenwechsel oder die Zurückhaltung gegenüber früheren Entscheidungen zurückzuführen.


Eine statische Lieferantenbasis kann jedoch die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens beeinträchtigen, seine Abhängigkeit von wenigen Akteuren erhöhen und seine Fähigkeit einschränken, sich an veränderte Marktbedingungen anzupassen. In einem Fertigungsunternehmen beispielsweise wurden Verträge mit denselben Lieferanten über Jahre hinweg verlängert, ohne Alternativen zu prüfen. Dadurch blieben Chancen für Kosteneinsparungen, Innovationen sowie die Optimierung der Lieferkette ungenutzt.

Best Practice

Um Stagnation zu vermeiden, sollten Einkaufsleiter einen strukturierten Prozess zur regelmäßigen Überprüfung der Lieferantenbasis implementieren. Durch die Einführung klarer Kriterien zur Bewertung der Lieferantenleistung, Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsfähigkeit können die Teams die Suche nach neuen Partnern mit der Verbesserung bestehender Kooperationen in ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Ein kontinuierlicher Rahmen für die Lieferantenbewertung fördert Innovation, Zusammenarbeit und Effizienzsteigerungen im Prozess- und Kostenmanagement. So wandelt sich der Einkauf von einer administrativen Funktion zu einem echten strategischen Treiber für Wachstum und Geschäftsresilienz.

Unzureichende Audits der Einkaufsaktivitäten

Herausforderungen und Auswirkungen

Viele Unternehmen führen Einkaufsaudits nur sporadisch und oberflächlich durch, ohne einen konsistenten Überwachungsrahmen zu etablieren. Das kann zu operativen Ineffizienzen führen und das Risiko von Verschwendung, Betrug und schlechtem Vertragsmanagement erhöhen.


In einem kürzlich durchgeführten Transformationsprojekt unterstützte Efficio ein multinationales Fertigungsunternehmen bei der Überarbeitung seiner Einkaufsabteilung. Das Unternehmen hatte mehrere Jahre lang keine gründliche Überprüfung seiner Einkaufsabteilung durchgeführt und dies mit geopolitischen Turbulenzen und der Corona-Pandemie begründet. Gerade in Zeiten globaler Instabilität in der Lieferkette ist eine strengere Überwachung jedoch unerlässlich, um die Leistung aufrechtzuerhalten und Risiken zu reduzieren. Ohne robuste Kontrollen besteht die Gefahr, dass Einkaufsrichtlinien nur unzureichend umgesetzt werden. Dies kann zu ungerechtfertigten Kostensteigerungen, schlecht verwalteten Verträgen und der Gefahr unethischer oder ineffizienter Praktiken führen.

Best Practice

Um einen robusten und stabilen Einkauf zu gewährleisten, sollten CPOs regelmäßige interne und externe Audits durchführen, die durch ein kontinuierliches Überwachungssystem auf Basis klarer und transparenter KPIs unterstützt werden. Wir empfehlen, die Governance-Systeme zu überprüfen und zu stärken und die Verantwortlichkeit der Stakeholder an die Häufigkeit und Transparenz der Audits zu knüpfen, um eine bessere Ausrichtung auf die strategischen Geschäftsziele sicherzustellen.

Compliance-Probleme im Source-to-Pay-Prozess (S2P)

Herausforderungen und Auswirkungen

Wenn Einkaufsprozesse keine angemessenen Kontrollen und Genehmigungsmechanismen vorsehen, steigt das Risiko von nicht konformen Ausgaben und unethischen Praktiken erheblich, wodurch die Integrität und Effektivität der Betriebsabläufe beeinträchtigt werden. Der Source-to-Pay-Prozess (S2P), der alle Phasen von der Beschaffung bis zur Rechnungszahlung umfasst, ist häufig durch einen geringen Standardisierungsgrad und unzureichende Kontrollen gekennzeichnet. Manuelle, fragmentierte oder unkontrollierte Verfahren sind nach wie vor weit verbreitet, führen jedoch zu Zahlungsfehlern, doppelten Rechnungen und nicht genehmigten Ausgaben. In einem bemerkenswerten Fall deckte ein Pharmaunternehmen ohne zentrales Tracking-System doppelte Lieferantenzahlungen in Höhe von mehreren tausend Euro auf – was die dringende Notwendigkeit einer strengeren Kontrolle der Ausgabenprozesse deutlich macht.

Best Practice

Um diese Risiken zu minimieren, ist es unerlässlich, strenge Genehmigungsentscheidungsbäume einzuführen und diese durch digitale Tools für eine strengere Transaktionskontrolle und -überwachung zu unterstützen. E-Procurement- und S2P-Plattformen ermöglichen durch die Automatisierung von Prüfungen und Genehmigungen mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Diese Systeme reduzieren nicht nur Fehler, sondern stellen auch sicher, dass der Einkauf als vertrauenswürdige, auditfähige Abteilung agieren kann, die auf die Finanz-Governance abgestimmt ist.

Aufbau einer erstklassigen Einkaufsabteilung

Die proaktive Überwachung dieser Warnsignale ist entscheidend dafür, dass der Einkauf als strategische, leistungsstarke Funktion agieren kann, die optimal auf die Unternehmensziele ausgerichtet ist. Einkaufsleiter, die in eine starke Governance, Digitalisierung und funktionsübergreifende Zusammenarbeit investieren, mindern nicht nur Risiken, sondern positionieren ihr Team auch als Treiber für greifbare Wettbewerbsvorteile.


Ebenso wichtig ist der Umgang mit diesen Warnsignalen. Eine schnelle Eskalation über die offiziellen Kanäle des Unternehmens – in der Regel unter Einbeziehung hochrangiger Stakeholder wie dem CFO oder der Geschäftsleitung – stellt sicher, dass Probleme mit der entsprechenden Autorität behandelt werden. Darüber hinaus hängen die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Lösung maßgeblich von der Geschwindigkeit und Angemessenheit der Reaktion ab. Ein frühzeitiges, gut koordiniertes Eingreifen ist immer wirkungsvoller als eine verspätete Abhilfe.
 

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